Begriffsklärung: Station in der Großkanzlei
Die Station in der Großkanzlei bezeichnet einen Ausbildungsabschnitt im Rahmen des juristischen Vorbereitungsdienstes, in dem Rechtsreferendare praktische Erfahrungen in großen wirtschaftsrechtlich ausgerichteten Sozietäten sammeln. Im deutschen Rechtssystem ist die Absolvierung verschiedener praktischer Stationen Pflichtbestandteil auf dem Weg zum zweiten Staatsexamen. Die Arbeit in einer Großkanzlei zeichnet sich durch besondere rechtliche Herausforderungen, ein breites Themenspektrum sowie besondere Strukturen und Anforderungen an die Auszubildenden aus.
Rechtsgrundlagen der Station in der Großkanzlei
Staatlicher Vorbereitungsdienst
Der juristische Vorbereitungsdienst (Referendariat) ist im Deutschen Richtergesetz (DRiG) und den jeweiligen Ausbildungsverordnungen der Bundesländer geregelt. Das Referendariat dient der praxisorientierten Ausbildung von Absolventen des ersten juristischen Staatsexamens.
Pflicht- und Wahlstationen
In der Regel besteht der Referendariatsverlauf aus verschiedenen Stationen:
- Zivilrechtsstation
- Strafrechtsstation
- Verwaltungsstation
- Anwaltsstation (Pflichtstation)
- Wahlstation
Eine Tätigkeit in einer Großkanzlei ist typischerweise im Rahmen der Anwaltsstation oder der Wahlstation möglich. Die Auswahl des Ausbildungsorts steht den Referendaren frei, jedoch müssen sie sicherstellen, dass die Anforderungen nach den geltenden Ausbildungs- und Prüfungsordnungen erfüllt werden.
Zulassung und Anmeldung
Für die Absolvierung einer Station in einer Großkanzlei sind folgende Voraussetzungen maßgeblich:
- Bestehendes Ausbildungsverhältnis im Rahmen des Vorbereitungsdienstes
- Zustimmung des Landgerichts oder der Referendariatsstelle
- Vorlage eines Ausbildungsplans und ggf. einer Betreuungszusage der Kanzlei
Die Großkanzlei muss gewährleisten, dass eine qualifizierte Betreuung und praktische Ausbildung im Sinne der Ausbildungsordnung stattfinden.
Inhalt und Ablauf der Station in der Großkanzlei
Ausbildungsinhalte
Während der Station werden die Referendare in wirtschaftsrechtlichen Fragestellungen ausgebildet, hierzu zählen insbesondere:
- Vertragsgestaltung und -prüfung
- Gesellschaftsrechtliche Beratung
- Prozessführung in großen Wirtschaftsverfahren
- Durchführung von Due-Diligence-Prüfungen
- Mitwirkung an internationalen Mandaten und Transaktionen
- Erstellung von Gutachten, Memoranden und Schriftsätzen
- Interne Fortbildungen und Teilnahme an Mandantengesprächen
Arbeitsbedingungen
Großkanzleien bieten in der Regel moderne Arbeitsplätze, umfassende Einbindung in das Tagesgeschäft und einen Einblick in internationale Rechtsmandate. Die Arbeitszeiten können im Vergleich zu durchschnittlichen Ausbildungsstellen höher ausfallen. Häufig erhalten die Referendare eine monatliche Ausbildungsvergütung (auch als „Referendarlohn“ bezeichnet), deren Höhe je nach Kanzlei variiert.
Betreuung und Evaluierung
Die Zuweisung eines festen Ausbilders (Mentor) ist verpflichtend. Dieser ist verantwortlich für die Zuweisung konkreter Aufgaben, die Anleitung sowie die Ausstellung einer Ausbildungsbescheinigung. Der Verlauf der Station wird regelmäßig anhand eines Ausbildungsplans überprüft und dokumentiert.
Rechtliche Aspekte und Auswirkungen auf das Referendariat
Ausbildungsziel und Prüfungsrelevanz
Das Ausbildungsziel besteht in der Vermittlung praktischer Kenntnisse und Fähigkeiten im Bereich der anwaltlichen Praxis, insbesondere unter Berücksichtigung der wirtschaftlichen Ausrichtung der Kanzlei. Die Tätigkeiten sollen inhaltlich Prüfungsrelevanz für das zweite Staatsexamen aufweisen. Teilweise ist das Bearbeiten einer bestimmten Anzahl schriftlicher Arbeiten (Aufgaben) vorgeschrieben, die in die Gesamtbeurteilung eingehen.
Rechtliche Pflichten der Station
- Ausbildungsnachweis: Es ist zwingend ein Ausbildungsnachweis zu führen, der Art und Umfang der Tätigkeit dokumentiert.
- Verschwiegenheit: Referendare unterliegen der beruflichen Schweigepflicht gemäß § 43a BRAO (Bundesrechtsanwaltsordnung) sowie gesonderten kanzleiinternen Vertraulichkeitsvereinbarungen.
- Teilnahme an Sitzungen, Gesprächen und gerichtlichen Terminen: Diese sind nach Möglichkeit zu ermöglichen, solange das Ausbildungsziel nicht gefährdet wird.
Besonderheiten bei internationalen Großkanzleien
Stationen können, abhängig von der jeweiligen Länderverordnung, auch im Ausland absolviert werden, sofern sie in einer ausländischen Niederlassung einer internationalen Kanzlei stattfinden. Eine Anerkennung durch die Ausbildungsbehörde ist in diesem Fall regelmäßig erforderlich.
Bewertung und Bedeutung der Station in der Großkanzlei
Karriere und Netzwerke
Das Absolvieren einer Station in einer Großkanzlei gilt als karrierefördernd und eröffnet Kontakte zu potenziellen Arbeitgebern. Es kann den Zugang zu einem späteren Berufseinstieg erleichtern, insbesondere bei wirtschaftsrechtlichen Tätigkeitsfeldern.
Qualitätssicherung
Die Tätigkeit unterliegt der laufenden Qualitätssicherung durch die Ausbildungsbehörden sowie den internen Standards der Kanzleien. Feedbackgespräche zwischen Mentor und Auszubildenden sind üblich.
Praktische und rechtliche Herausforderungen
Referendare stehen oft vor großen fachlichen Anforderungen, insbesondere in international tätigen Sozietäten mit fremdsprachigen Unterlagen und komplexen Sachverhalten. Die Einhaltung gesetzlicher und kanzleiinterner Regelungen ist unerlässlich, um die Station erfolgreich zu absolvieren und mögliche Haftungsrisiken auszuschließen.
Fazit
Die Station in der Großkanzlei ist ein wichtiger Bestandteil der praktischen Ausbildung im juristischen Vorbereitungsdienst. Sie verbindet anspruchsvolle, praxisnahe Ausbildung mit der Möglichkeit, sich in wirtschaftsrechtliche und internationale Sachverhalte einzuarbeiten. Ein umfassendes Verständnis der rechtlichen Rahmenbedingungen und Abläufe ist für einen erfolgreichen Durchlauf dieser Ausbildungsstation unerlässlich.
Häufig gestellte Fragen
Wie gestaltet sich der Arbeitsalltag während der Anwaltsstation in einer Großkanzlei?
Während der Anwaltsstation in einer Großkanzlei ist der Arbeitsalltag von einer engen Integration in laufende Mandate und größere juristische Projekte geprägt. Referendarinnen und Referendare werden typischerweise verschiedenen Praxisgruppen oder Dezernaten zugeteilt und erhalten Aufgaben, die häufig über den Rahmen „klassischer“ Referendarstätigkeiten hinausgehen. Dazu zählen unter anderem die Erstellung von Gutachten, Schriftsätzen, Vertragsentwürfen sowie die Recherche komplexer juristischer Fragestellungen. Die Arbeitszeiten orientieren sich häufig an dem Arbeitspensum der jeweiligen Anwälte und können je nach Mandatslage über die übliche 40-Stunden-Woche hinausgehen, wobei viele Großkanzleien flexible Arbeitszeitmodelle und Home-Office ermöglichen. Referendarinnen und Referendare nehmen regelmäßig an Mandantenbesprechungen, internen Fortbildungen und, sofern möglich, Gerichtsterminen teil. Dies trägt dazu bei, den gesamten Beratungsprozess in einer Großkanzlei aus erster Hand zu erleben. Eine enge Begleitung durch einen Mentor oder Ausbilder ist üblich, um eine kontinuierliche Rückmeldung zur eigenen Arbeit sowie Einblicke in spezifische Arbeitsweisen zu gewährleisten.
Welche typischen Aufgaben werden Referendarinnen und Referendaren in der Großkanzlei übertragen?
In der Großkanzlei übernehmen Referendarinnen und Referendare eine Vielzahl an juristischen Tätigkeiten mit unmittelbarem Praxisbezug. Zu den Kernaufgaben zählen die Bearbeitung umfassender rechtlicher Recherchen, das Verfassen von Vermerken, Legal Memos sowie Schriftsätzen und die Ausarbeitung von Vertragsklauseln. Darüber hinaus werden sie vielfach in die Mandatsarbeit eingebunden, was sowohl die Unterstützung bei der Due Diligence im Rahmen von Transaktionen als auch das Zusammenstellen und Auswerten von Unterlagen für gesellschafts-, arbeits- oder wirtschaftsrechtliche Verfahren umfasst. Die Mitarbeit an Präsentationen für Mandanten und die Vorbereitung von Besprechungen oder Telefonkonferenzen ist ebenfalls gängige Praxis. In manchen Kanzleien erhalten Referendarinnen und Referendare zudem die Möglichkeit, interne Weiterbildungen zu besuchen oder fachspezifische Workshops zu unterstützen. Die Vergabe der Aufgaben richtet sich regelmäßig nach dem jeweiligen Ausbildungsstand und der Spezialisierung der Anwälte, sodass eine gezielte Entwicklung der juristischen Kompetenzen gewährleistet wird.
Inwieweit werden Referendarinnen und Referendare in die Mandatsarbeit eingebunden?
Referendarinnen und Referendare sind in Großkanzleien oftmals integraler Bestandteil des jeweiligen Teams und werden in die tägliche Mandatsarbeit sowohl auf nationaler als auch auf internationaler Ebene eingebunden. Sie erhalten Einblick in alle Phasen der Mandatsbearbeitung – von der Mandatsannahme und ersten rechtlichen Einschätzung bis zur konkreten Umsetzung der erarbeiteten Lösungen. Insbesondere in wirtschaftsrechtlichen Fragestellungen können sie an der Strukturierung von Transaktionen, am Vertragsmanagement sowie an der Koordination zwischen verschiedenen Parteien mitwirken. Es ist durchaus üblich, dass Referendarinnen und Referendare bei der Erstellung und Überarbeitung wesentlicher Unterlagen tätig sind, wenn auch stets unter der Kontrolle eines erfahrenen Anwalts. Ebenso nehmen sie teilweise an Mandantengesprächen und, sofern zulässig, an vertraulichen Besprechungen mit anderen Sachverständigen teil. In grenzüberschreitenden Fällen kommt es zudem vor, dass sie an der Kommunikation mit ausländischen Anwälten oder Tochtergesellschaften beteiligt sind.
Gibt es besondere Anforderungen oder Erwartungen an Referendarinnen und Referendare in der Großkanzlei?
Großkanzleien stellen häufig besondere Erwartungen an die juristische und persönliche Qualifikation ihrer Referendarinnen und Referendare. Neben einem fundierten Fachwissen wird insbesondere Wert auf analytisches Denken, die Fähigkeit zu eigenständigem Arbeiten sowie auf hohe Belastbarkeit und Flexibilität gelegt. Sehr gute Englischkenntnisse und der sichere Umgang mit juristischer Fachliteratur in verschiedenen Sprachen werden häufig vorausgesetzt, da die Arbeit oftmals mit internationalen Mandanten erfolgt. Teamfähigkeit, Kommunikationsstärke und Loyalität sind ebenfalls zentrale Anforderungen, da die Tätigkeiten oftmals im engen Austausch mit Kolleginnen, Kollegen und Mandanten ablaufen. Die Bereitschaft zu überdurchschnittlichem Engagement, Zuverlässigkeit und die schnelle Einarbeitung in komplexe Sachverhalte werden als selbstverständlich erachtet. Viele Kanzleien erwarten zudem ein besonderes Interesse an wirtschaftsrechtlichen Fragestellungen und ein ausgeprägtes Verständnis für wirtschaftliche Zusammenhänge.
Wie erfolgt die Betreuung und Ausbildung während der Station in der Großkanzlei?
Die Betreuung während der Anwaltsstation erfolgt in der Regel durch einen oder mehrere Ausbildungsanwälte, die im Rahmen eines Mentorenprogramms als direkte Ansprechpartner fungieren. Die Betreuung ist darauf ausgerichtet, die Referendarinnen und Referendare sowohl fachlich als auch persönlich zu fördern; hierzu gehören regelmäßige Feedbackgespräche, die gemeinsame Besprechung erstellter Arbeiten und die systematische Einführung in spezielle Arbeitsgebiete der Großkanzlei. Viele Kanzleien bieten zusätzlich interne Fortbildungen, Workshops und Seminare zu aktuellen rechtlichen Entwicklungen, Soft-Skills oder branchenspezifischen Themen an. Die Ausbildung ist darauf ausgelegt, umfassende Einblicke in die juristische Praxis, den Mandatsalltag und die unterschiedlichen Fachbereiche zu vermitteln. Das Ziel ist es, die Referendarinnen und Referendare sowohl für das zweite Staatsexamen als auch für eine spätere Berufstätigkeit umfassend zu qualifizieren und ihnen Gelegenheit zur Vernetzung innerhalb der Kanzlei zu geben.
Wird während der Anwaltsstation in der Großkanzlei eine Vergütung gezahlt und wie ist diese ausgestaltet?
In den meisten Großkanzleien wird während der Anwaltsstation eine angemessene Vergütung gezahlt, die sich nach dem Umfang der wöchentlichen Arbeitszeit richtet. Üblich ist die Zahlung einer monatlichen Nebentätigkeitsvergütung, deren Höhe zwischen den Kanzleien jedoch stark variieren kann und marktüblich zwischen 400 und 1.200 Euro (teilweise mit Aufstockung bei vermehrter zeitlicher Präsenz) liegt. Diese Vergütung erfolgt sowohl zusätzlich zum Unterhaltsbeitrag nach dem JAG als auch unter Berücksichtigung landesrechtlicher Begrenzungen für Nebeneinkünfte im Referendariat. Die Auszahlung ist in der Regel mit der Verpflichtung zur Einhaltung bestimmter Arbeitszeiten und Anwesenheit verbunden; Home-Office oder flexible Arbeitsmodelle können im Einzelfall berücksichtigt werden. Zusätzlich werden oft Sachleistungen angeboten, zum Beispiel Essenszuschüsse, Kostenübernahmen für Fachliteratur oder die Teilnahme an Kanzleiveranstaltungen.
Inwieweit beeinflusst die Station in der Großkanzlei die spätere Karriereplanung?
Die Absolvierung einer Station in der Großkanzlei stellt insbesondere im Bereich des Wirtschaftsrechts einen maßgeblichen Vorteil für die spätere Karriereplanung dar. Referendarinnen und Referendare erhalten während ihrer Tätigkeit Einblicke in hochspezialisierte Rechtsgebiete, bauen wertvolle Kontakte zu Partnern und Associates auf und erhöhen ihre Chancen auf den Direkteinstieg in eine Kanzlei nach dem Referendariat. Für viele Großkanzleien ist die Station ein zentrales Rekrutierungsinstrument, bei dem die Eignung der Referendarinnen und Referendare für eine Vollzeitposition geprüft wird. Exzellente Leistungen in der Station eröffnen häufig den Zugang zu weiteren Karriereschritten wie Promotionsförderung, LL.M.-Programmen oder dem Eintritt in den Kreis der sogenannten „Referendar-AGs“ innerhalb der Kanzlei. Auch persönliche Soft Skills und ein Netzwerk in die juristische Praxis werden ausgebaut, sodass der Karriereweg nach Abschluss des Zweiten Staatsexamens vielfältig unterstützt wird.