Legal Lexikon

Referendariat und Pflege von Angehörigen


Referendariat und Pflege von Angehörigen: Rechtliche Rahmenbedingungen

Das Referendariat stellt einen wichtigen Abschnitt in der Ausbildung von Lehrkräften oder Rechtswissenschaftlerinnen und Rechtswissenschaftlern in Deutschland dar. Zeitgleich sehen sich viele Referendarinnen und Referendare der Herausforderung gegenüber, nahe Angehörige zu pflegen. Diese Lebenssituation wirft zahlreiche rechtliche Fragen auf, da das Referendariat insbesondere im öffentlichen Dienst besonderen Regelungen unterliegt. Der folgende Artikel beleuchtet umfassend die gesetzlichen und verwaltungsrechtlichen Rahmenbedingungen zur Vereinbarkeit von Referendariat und Pflege von Angehörigen.


Rechtliche Grundlagen des Referendariats

Begriff und Ausgestaltung

Das Referendariat bezeichnet den praktischen Vorbereitungsdienst nach Abschluss eines wissenschaftlichen Studiums, insbesondere für angehende Lehrkräfte (Lehramtsreferendariat) sowie für Absolventinnen und Absolventen des ersten juristischen Staatsexamens. Rechtsgrundlagen bilden die jeweiligen Landesgesetze und Verordnungen, beispielsweise die Juristenausbildungsgesetze der Bundesländer oder die Lehrerausbildungsgesetze.

Status der Referendarinnen und Referendare

Referendarinnen und Referendare stehen in einem öffentlich-rechtlichen Ausbildungsverhältnis. Sie sind vielfach als Beamtinnen und Beamte auf Widerruf, in seltenen Fällen als Arbeitnehmerinnen oder Arbeitnehmer im öffentlichen Dienst beschäftigt. Dies beeinflusst maßgeblich ihre Rechte und Pflichten im Zusammenhang mit privaten Lebensumständen, etwa der Pflege von Angehörigen.


Rechtlicher Begriff der Pflege von Angehörigen

Definition „Pflege von Angehörigen“

Unter „Pflege von Angehörigen“ wird die Unterstützung, Betreuung und Pflege hilfebedürftiger naher Familienmitglieder verstanden. Gesetzlich geregelt ist der Pflegebegriff vornehmlich im Sozialgesetzbuch (SGB XI), worunter auch die häusliche Pflege fällt.

Begriff „nahe Angehörige“

Das Pflegezeitgesetz (PflegeZG) sowie das Familienpflegezeitgesetz (FPfZG) definieren „nahe Angehörige“ umfassend. Hierzu zählen insbesondere Eltern, Kinder, Ehe- und Lebenspartnerinnen und -partner, Schwiegereltern sowie Enkelkinder (§ 7 Abs. 3 PflegeZG).


Vereinbarkeit von Referendariat und familiärer Pflege – Gesetzliche Regelungen

Anspruch auf Freistellung nach dem Pflegezeitgesetz

Das Pflegezeitgesetz eröffnet Beschäftigten grundsätzlich die Möglichkeit, sich für die Pflege von nahen Angehörigen von der Arbeit freistellen zu lassen. Kernpunkte sind:

  • Kurzzeitige Arbeitsverhinderung: Bis zu zehn Tage Freistellung bei akutem Pflegebedarf (§ 2 PflegeZG).
  • Langfristige Pflegezeit: Bis zu sechs Monate vollständige oder teilweise Freistellung nach § 3 PflegeZG.

Für Referendarinnen und Referendare im Beamtenstatus gelten die Vorschriften analog, sofern keine spezialgesetzlichen Regelungen existieren. Zahlreiche Bundesländer haben beamtenrechtliche Vorschriften geschaffen, die Freistellungen und Teilzeit für Pflegezwecke ermöglichen.

Anforderungen an die Antragstellung

Freistellungen nach den Pflegegesetzen sind rechtzeitig schriftlich beim Dienstherrn oder Ausbildungsleiter zu beantragen. Erforderlich ist oftmals eine Bescheinigung der Pflegebedürftigkeit des Angehörigen.

Lohn- und Besoldungsfortzahlung

Während der zehntägigen Freistellung bei akutem Pflegefall sieht das PflegeZG für Arbeitnehmer eine Entgeltfortzahlung vor. Referendarinnen und Referendare im öffentlich-rechtlichen Ausbildungsverhältnis erhalten in der Regel weiterhin ihre Anwärterbezüge, sofern keine abweichenden beamtenrechtlichen Regelungen bestehen.

Familienpflegezeitgesetz und Teilzeitmodelle

Das Familienpflegezeitgesetz sieht ergänzend die Möglichkeit einer langfristigen Teilzeit (Reduzierung der Arbeitszeit auf mindestens 15 Stunden pro Woche) über einen Zeitraum von bis zu 24 Monaten vor (§ 2 FPfZG). Anwärterinnen und Anwärter können den Antrag auf Teilzeit im Rahmen bestehender beamtenrechtlicher oder personalrechtlicher Vorschriften stellen.

Auswirkungen auf das Referendariat

Bei Verkürzung der Arbeitszeit verlängert sich das Referendariat entsprechend. Die konkrete Ausgestaltung (z. B. Dauer, Umfang und Modalitäten der Teilzeit) richtet sich nach den Bestimmungen des jeweiligen Bundeslandes sowie den individuellen Regelungen der betreffenden Ausbildungsstelle.

Pflegeunterstützungsgeld als Lohnersatzleistung

Während der kurzzeitigen Arbeitsverhinderung besteht für Arbeitnehmer ein Anspruch auf Pflegeunterstützungsgeld (§ 44a SGB XI). Für Referendarinnen und Referendare ist zu prüfen, ob eine entsprechende Leistung – analog zur Lohnersatzleistung – durch den Dienstherrn oder die Ausbildungsstelle gewährt wird. Die Anspruchsgrundlage kann sich aus landesrechtlichen Sondervorschriften ergeben.


Sonderregelungen für Beamte auf Widerruf

Beurlaubung und Teilzeit aus familiären Gründen

In zahlreichen Bundesländern haben Beamtinnen und Beamte auf Widerruf Anspruch auf Beurlaubung oder Teilzeitbeschäftigung aus familiären Gründen, darunter die Pflege von Angehörigen (z. B. § 75 LBG NRW). Möglichkeiten umfassen:

  • Vollständige Beurlaubung: Bis zu mehreren Monaten bei Pflegebedürftigkeit eines nahen Angehörigen.
  • Teilzeit während der Ausbildung: Reduzierung der Ausbildungszeit gegen verhältnismäßige Verlängerung des Referendariats.
  • Unterbrechung oder Wiederholung: In Ausnahmefällen kann eine Ausbildungsunterbrechung oder das Nachholen ausgefallener Abschnitte beantragt werden.

Auswirkungen auf Besoldung und Beihilfe

Während einer vollständigen Beurlaubung entfällt in der Regel der Anspruch auf Anwärterbezüge. Beihilfeansprüche können bestehen bleiben, sofern keine vollständige Entlassung aus dem Dienstverhältnis erfolgt.


Wechselwirkungen mit (arbeits-)vertraglichen Regelungen

Nicht alle Referendarinnen und Referendare stehen im Beamtenverhältnis. Sofern ein Arbeitsverhältnis besteht, sind die Bestimmungen des PflegeZG, FPfZG und sonstiger arbeitsrechtlicher Bestimmungen uneingeschränkt anwendbar. Relevant ist die rechtliche Ausgestaltung des Beschäftigungsverhältnisses, insbesondere im Hinblick auf Kündigungsschutz und Rückkehrrecht nach der Pflegezeit.


Rechtliche Folgen und praktische Hinweise

Zeugnisse und Ausbildungsfortschritt

Bei längeren Unterbrechungen des Referendariats kann es zu zeitlichen Verzögerungen beim Abschluss kommen. Die Dienststellen oder Prüfungsausschüsse sind verpflichtet, auf die Vereinbarkeit von familiärer Pflege und Ausbildung Rücksicht zu nehmen. Benachteiligungen im Zeugnis oder Bewertung der praktischen Leistungen sind im Regelfall auszuschließen.

Kündigungsschutz und Diskriminierungsverbot

Das Pflegezeitgesetz und das Familienpflegezeitgesetz enthalten besondere Schutzvorschriften. Während der Pflegezeit oder Familienpflegezeit ist eine ordentliche Kündigung grundsätzlich unwirksam (§ 5 PflegeZG, § 9 FPfZG).

Datenschutz und Schweigepflichten

Die Antragstellung auf Freistellung oder Teilzeit wegen Pflege eines Angehörigen unterliegt datenschutzrechtlichen Anforderungen. Angaben zur Pflegebedürftigkeit und zur Gesundheitslage der Angehörigen dürfen ausschließlich zur gesetzlichen Erfüllung der Freistellung verarbeitet werden.


Rechtsprechung und Verwaltungsanweisungen

Gerichte und Verwaltungsstellen haben in mehreren Fällen herausgestellt, dass eine möglichst familienfreundliche Ausgestaltung des Referendariats zwingend ist, sofern berechtigte Pflegegründe vorliegen. Die spezifische Ausgestaltung schwankt jedoch abhängig von Rechtsgebiet, Bundesland und Dienstherrn.


Fazit

Die rechtlichen Rahmenbedingungen zur Vereinbarkeit von Referendariat und Pflege eines Angehörigen sind umfangreich und vielschichtig. Während sowohl das Pflegezeitgesetz als auch das Familienpflegezeitgesetz wichtige Standards schaffen, müssen Beamte auf Widerruf sowie Referendarinnen und Referendare im Angestelltenverhältnis zusätzlich landesrechtliche und dienstrechtliche Regelungen beachten. Eine frühzeitige Antragstellung, sorgfältige Dokumentation und Kenntnis der eigenen Rechte ermöglichen eine bessere Vereinbarkeit von Ausbildung und familiärer Verantwortung.

Häufig gestellte Fragen

Kann ein Referendar während des juristischen Vorbereitungsdienstes eine Freistellung für die Pflege eines nahen Angehörigen beantragen?

Referendare haben nach den landesrechtlichen Bestimmungen, welche häufig an das Bundesrecht angelehnt sind, grundsätzlich die Möglichkeit, eine Freistellung vom Vorbereitungsdienst aus familiären Gründen wie der Pflege naher Angehöriger zu beantragen. Maßgeblich ist hier insbesondere das Pflegezeitgesetz (PflegeZG) und das Familienpflegezeitgesetz (FPfZG). Die Regelungen unterscheiden sich von Bundesland zu Bundesland, da die Ausgestaltung des juristischen Vorbereitungsdienstes Ländersache ist. Häufig wird jedoch eine unentgeltliche Beurlaubung für die Dauer der Pflege, bis zu sechs Monate, eingeräumt. Der Antrag muss in der Regel mit entsprechenden Nachweisen (ärztliches Gutachten, Pflegegrad-Bescheid, Nachweis über das Verwandtschaftsverhältnis) rechtzeitig bei der zuständigen Referendariatsverwaltung gestellt werden. Während der Freistellung besteht kein Anspruch auf Unterhaltsbeihilfe. Zudem ist zu beachten, dass sich das Referendariat um die Dauer der Beurlaubung verlängert und sämtliche Ausbildungsabschnitte nachgeholt werden müssen. Ein Rechtsanspruch auf Freistellung besteht nur im gesetzlich bestimmten Rahmen; die Einzelheiten sind dem jeweiligen Landesrecht und den Verwaltungsvorschriften zu entnehmen.

Welche Rechte hat ein Referendar bezüglich Teilzeit im Falle der Pflege Angehöriger?

In den meisten Bundesländern besteht für Rechtsreferendare nach einem erfolgreichen Antrag die Möglichkeit, den juristischen Vorbereitungsdienst in Teilzeit abzuleisten, sofern ein berechtigter Grund wie die Pflege eines nahen Angehörigen vorliegt. Die relevanten Regelungen orientieren sich dabei an § 2 Abs. 3 JAG der jeweiligen Länder und oft am Bundesgleichstellungsgesetz. Die Teilzeit kann entweder als Reduzierung der Wochenarbeitszeit oder als Verlängerung der Ausbildungszeit gestaltet werden. Während der Teilzeit kann die Unterhaltsbeihilfe dementsprechend gekürzt werden. Ein Nachweis der tatsächlichen Pflegebedürftigkeit und der eigenen Verpflichtung zur Pflege ist zwingend erforderlich. Die genaue Verfahrensweise und die Umfangsgrenzen sind in den Verwaltungsvorschriften der Justizverwaltung konkretisiert. Ein Anspruch auf Teilzeit besteht nicht uneingeschränkt, sondern steht unter dem Vorbehalt dienstlicher Belange; eine Ablehnung muss jedoch sachlich begründet werden.

Muss das Referendariat bei einer Pflegeauszeit insgesamt wiederholt werden oder wird die Ausbildung fortgesetzt?

Das Referendariat muss bei einer genehmigten Pflegeauszeit (Beurlaubung oder Teilzeit) grundsätzlich nicht komplett wiederholt werden. Die Zeit während der genehmigten Freistellung oder Teilzeit zählt nicht als Ausbildungszeit, wodurch sich der Vorbereitungsdienst entsprechend verlängert. Ausbildungsabschnitte, die unterbrochen wurden, müssen nach Wiederaufnahme des Dienstes nachgeholt werden, um die vorgeschriebene Gesamtdauer und die jeweiligen Stationszeiten zu erfüllen. Dies ist insbesondere relevant für die Zulassung zum zweiten Staatsexamen, bei dem eine vollständige Absolvierung aller Stationen nachgewiesen werden muss. Teilweise bieten die Justizverwaltungen flexible Nachholmöglichkeiten oder spezielle Regelungen zur Einteilung der Stationen.

Besteht während einer Pflegefreistellung Anspruch auf Unterhaltsbeihilfe?

Während einer genehmigten vollständigen Beurlaubung zur Pflege eines Angehörigen besteht grundsätzlich kein Anspruch auf Unterhaltsbeihilfe. Die Zahlung wird für die Dauer der Auszeit eingestellt. Nur bei einer Teilzeitregelung kann – abhängig von der individuell geleisteten Stundenzahl – eine anteilige Unterhaltsbeihilfe gezahlt werden. Hierbei kommt es maßgeblich auf das vom Bundesland angewandte Teilzeitmodell und auf die konkret reduzierten Dienstzeiten an. Es empfiehlt sich, vor der Beantragung einer Beurlaubung oder Teilzeitabsprache mit der zuständigen Ausbildungsbehörde über etwaige finanzielle Folgen zu sprechen, da anderweitige Sozialleistungen wie ElterngeldPlus, Pflegeunterstützungsgeld oder finanzielle Hilfen nach dem SGB XI ggfs. separat zu beantragen sind.

Wie wirkt sich eine Pflegezeit auf die Fristen für das zweite Staatsexamen aus?

Eine genehmigte Pflegezeit (Beurlaubung oder Teilzeitanordnung) unterbricht generell die für das zweite juristische Staatsexamen maßgeblichen Fristen, sowohl hinsichtlich der regelmäßigen Ausbildungszeit als auch bezüglich eventueller Höchstfristen. Die Zeit der Beurlaubung wird nicht auf die reguläre Dauer des Vorbereitungsdienstes oder auf Fristen zur Anmeldung für das zweite Examen angerechnet. Nach Rückkehr in den juristischen Vorbereitungsdienst setzt der Referendar seine Ausbildung in der begonnenen oder nächsten Station fort. Wer bereits zur Prüfung zugelassen war, aber aus Pflegegründen verhindert ist, kann sich mit entsprechendem Nachweis entschuldigen und die Prüfung zu einem späteren Termin ablegen, ohne dass dies als Fehlversuch gewertet wird. Näheres regelt das Prüfungsamt des jeweiligen Bundeslandes.

Welche rechtlichen Nachweise müssen für eine Pflegefreistellung erbracht werden?

Für die Beantragung einer Pflegefreistellung durch Referendare sind rechtsverbindliche Nachweise erforderlich. Hierzu gehören typischerweise ein ärztliches Attest über die Pflegebedürftigkeit des Angehörigen, eine Bestätigung über den Pflegegrad (mindestens Pflegegrad 1), ein aktueller Nachweis über das familiäre Verhältnis (z.B. Geburts-/Heiratsurkunde), eine formlose schriftliche Erklärung des Referendars zur tatsächlich durchgeführten Pflege sowie ggf. Nachweise zur zeitlichen Inanspruchnahme der Pflege. Je nach Bundesland können zudem spezifische Antragsformulare oder zusätzliche Bescheinigungen verlangt werden. Die jeweilige Justizverwaltung prüft die Antragsunterlagen sorgfältig und entscheidet nach pflichtgemäßem Ermessen.

Können Referendare während der Pflegezeit weiter ausbildungsrechtlich betreut werden oder Anspruch auf Fortbildungen haben?

Während einer vollständigen Beurlaubung besteht grundsätzlich kein Anspruch auf betreuende Ausbildung oder Teilnahme an Ausbildungsangeboten und Fortbildungen, da das Referendariat offiziell ruht. Lediglich bei einer Teilzeitregelung kann – abgestimmt auf die individuellen Möglichkeiten – eine Teilnahme an Ausbildungsangeboten erfolgen. Viele Landesjustizverwaltungen bieten flexible Modelle, die eine Teilnahme zumindest an einzelnen Arbeitsgemeinschaften oder Online-Fortbildungen ermöglichen, sofern dies im Teilzeitmodell abgedeckt ist. Die Entscheidung über die Zulassung zu solchen Maßnahmen trifft die jeweilige Ausbildungsstelle unter Berücksichtigung der dienstlichen und persönlichen Belange. Es empfiehlt sich, vorab individuelle Absprachen mit Ausbildern und der Verwaltung zu treffen.