Definition und rechtlicher Status des Rechtsreferendars
Der Rechtsreferendar ist in der Bundesrepublik Deutschland eine Person, die nach Abschluss des Ersten Staatsexamens das sogenannte Rechtsreferendariat absolviert. Das Rechtsreferendariat dient als praktischer Vorbereitungsdienst auf die Zweite Staatsprüfung und ist obligatorisch für den Erwerb der Befähigung zum Richteramt gemäß § 5 Absatz 1 Deutsches Richtergesetz (DRiG). Rechtsreferendarinnen und Rechtsreferendare befinden sich in einem öffentlich-rechtlichen Ausbildungsverhältnis zum jeweiligen Bundesland.
Gesetzliche Grundlagen
Die rechtliche Ausgestaltung des Rechtsreferendariats ist überwiegend im Deutschen Richtergesetz (DRiG) verankert. Darüber hinaus gelten länderspezifische Ausbildungs- und Prüfungsordnungen, wie etwa die Juristenausbildungs- und Prüfungsordnungen der einzelnen Bundesländer.
Deutsches Richtergesetz (DRiG)
Gemäß den §§ 5 ff. DRiG ist der Vorbereitungsdienst nach dem erfolgreichen Abschluss des Studiums der Rechtswissenschaften (Erstes Staatsexamen) zu absolvieren. Das DRiG legt die Grundstruktur des Referendariats und wesentliche Anforderungen für die Zulassung zum Vorbereitungsdienst fest.
Juristenausbildungsgesetze der Länder
Die Ausführung und Organisation obliegt den Ländern. Jedes Bundesland hat spezifische Regelungen, die insbesondere Dauer, Aufbau und Ablauf des Vorbereitungsdienstes bestimmen, unter Berücksichtigung der Vorgaben des DRiG.
Rechtsstellung der Rechtsreferendare
Rechtsreferendare stehen in einem besonderen öffentlich-rechtlichen Ausbildungsverhältnis („Vorbereitungsdienstverhältnis“) zum jeweiligen Land. Sie sind keine vollwertigen Richter oder Staatsanwälte und auch keine Angestellten im öffentlichen Dienst im klassischen Sinn.
Im Regelfall werden Rechtsreferendare als Anwärter des höheren Dienstes geführt und besitzen etwa den Status von Beamt*innen auf Widerruf (§ 17 I DRiG i.V.m. Landesrecht).
Ablauf und Inhalt des Rechtsreferendariats
Das Rechtsreferendariat ist primär als praxisorientierter Ausbildungsabschnitt konzipiert. Es verbindet praktische Erfahrung in verschiedenen Stationen mit begleitenden Ausbildungs- und Arbeitsgemeinschaften.
Dauer des Rechtsreferendariats
Die reguläre Dauer beträgt 24 Monate (zwei Jahre). In einzelnen Bundesländern sind leichte Abweichungen möglich.
Struktur – Ausbildungsstationen
Das Vorbereitungsdienstverhältnis gliedert sich typischerweise in folgende Stationen (die Dauer und Reihenfolge variiert nach Bundesland):
- Zivilrechtsstation: Praktikum am Amts- oder Landgericht, vorrangig bei einer Zivilkammer.
- Strafrechtsstation: Ausbildung bei einer Staatsanwaltschaft oder einem Strafgericht.
- Verwaltungsstation: Einsatz in einer Behörde der allgemeinen oder besonderen Verwaltung.
- Anwaltsstation: Mitwirkung in einer Rechtsanwaltskanzlei.
- Wahlstation: Eigenständige Vertiefung in einem Bereich, der frei wählbar ist (z. B. Unternehmen, Behörden, Gericht im Ausland).
Ergänzend werden die Stationen durch Arbeitsgemeinschaften begleitet. Diese dienen der vertiefenden Ausbildung, dem Erfahrungsaustausch und der Vorbereitung auf die Zweite Staatsprüfung.
Vermittlung von praktischen Fähigkeiten
Während des Vorbereitungsdienstes sollen die Referendarinnen und Referendare insbesondere folgende Kompetenzen erwerben:
- Erstellung von Gutachten und Entscheidungsvorlagen
- Entwurf von Urteilen, Beschlüssen und Verfügungen
- Anfertigung von Schriftsätzen
- Durchführung von Beweisaufnahmen
- Beteiligung an Verhandlungen, Sitzungen und Beratungen
Rechte und Pflichten der Rechtsreferendare
Pflichten
Rechtsreferendare unterliegen umfassenden Pflichten, die durch das Ausbildungsverhältnis vorgegeben sind:
- Teilnahme an vorgeschriebenen Ausbildungsstationen und Arbeitsgemeinschaften
- Führung eines Berichtshefts über den Ausbildungsverlauf (nach den Vorgaben des jeweiligen Bundeslandes)
- Verschwiegenheitspflicht gemäß § 37 Beamtenstatusgesetz (BeamtStG) und dem einschlägigen Landesrecht
- gewissenhafte Erfüllung der übertragenen Aufgaben und Einhaltung dienstlicher Anweisungen
- Mitwirkung bei praktischen Tätigkeiten, z. B. Sitzungsdienst in der Staatsanwaltschaft oder Urteilsentwürfe für Richter
Rechte
Rechtsreferendare genießen verschiedene Rechte und Leistungen:
- Anspruch auf sachgerechte Ausbildung und Betreuung durch Ausbilderinnen und Ausbilder
- Schutz durch das Dienstrecht der jeweiligen Länder
- Zahlung von Unterhaltsbeihilfe (vergleichbar mit einer Besoldung, aber niedriger und ohne Versorgungsansprüche)
- Sonderurlaubsmöglichkeiten nach Maßgabe des Landesrechts
- Beteiligungsrechte, etwa an Wahlen zum Personalrat der Referendare
Zweite juristische Staatsprüfung
Die Ausbildung schließt mit der Zweiten juristischen Staatsprüfung ab. Diese besteht in der Regel aus schriftlichen und mündlichen Prüfungsleistungen (Klausuren, Aktenvortrag, mündliche Prüfung), in denen das im Referendariat erworbene Wissen und die praktische Befähigung geprüft werden.
Bedeutung der Zweiten Staatsprüfung
Die Zweite Staatsprüfung ist die Voraussetzung für die Zulassung zu klassischen Tätigkeiten in den Bereichen Justiz, Verwaltung, Rechtsberatung und Notariat. Erst mit Abschluss dieser Prüfung wird die „Befähigung zum Richteramt“ gemäß § 5 DRiG erworben.
Beendigung des Referendariats
Gründe für die Beendigung
Das Rechtsreferendariat endet mit
- Bestehen der Zweiten Staatsprüfung,
- Bestehen des regulären Zeitrahmens (zwei Jahre, ggf. Verlängerung durch Wiederholungsprüfung, Krankheit o. Ä.),
- oder im Ausnahmefall durch Entlassung, etwa bei schwerwiegenden Dienstvergehen oder Täuschung in Prüfungen (§ 22 DRiG i. V. m. Landesrecht).
Vergütung und Sozialversicherung
Unterhaltsbeihilfe
Rechtsreferendare erhalten keine Besoldung im klassischen Sinne, sondern eine sogenannte Unterhaltsbeihilfe. Die Höhe ist länderspezifisch und orientiert sich an haushaltspolitischen Vorgaben.
Sozialversicherungsrechtlicher Status
Da Rechtsreferendare im Vorbereitungsdienst in der Regel als Beamte auf Widerruf gelten, unterliegen sie nicht der gesetzlichen Sozialversicherungspflicht. Es besteht keine Beitragspflicht zur gesetzlichen Renten-, Arbeitslosen- oder Krankenversicherung. Eine private Krankenversicherung oder freiwillige Mitgliedschaft in der gesetzlichen Krankenversicherung ist erforderlich.
Besonderheiten und Auslandsstationen
Viele Landesverordnungen erlauben während der Wahlstation das Absolvieren einer Station im Ausland. Dadurch können praktische Erfahrungen bei internationalen Institutionen, Botschaften, ausländischen Gerichten oder Kanzleien erworben werden.
Reformen und Entwicklungen
Die Struktur des Rechtsreferendariats wird laufend an gesellschaftliche, europarechtliche und arbeitsmarktpolitische Entwicklungen angepasst. In den vergangenen Jahren standen insbesondere Digitalisierung, Vereinbarkeit von Familie und Ausbildung sowie die Prüfungssystematik im Fokus legislativer und verwaltungsseitiger Anpassungen.
Literatur und weiterführende Quellen
- Deutsches Richtergesetz (DRiG)
- Juristenausbildungsgesetze und Prüfungsordnungen der Länder
- Gesetzestexte zum Beamtenrecht und BeamtStG
- Bundes- und Landesministerien der Justiz – Informationsportale zum Rechtsreferendariat
Hinweis: Die Inhalte dieses Artikels geben den Stand der Gesetzgebung und Praxis bis Juni 2024 wieder. Aufgrund länderspezifischer Regelungen empfiehlt sich die ergänzende Konsultation der jeweils gültigen Ausbildungs- und Prüfungsordnungen.
Häufig gestellte Fragen
Welche gesetzlichen Grundlagen regeln das Rechtsreferendariat in Deutschland?
Das Rechtsreferendariat in Deutschland wird in erster Linie durch das Deutsche Richtergesetz (DRiG) geregelt, insbesondere durch die §§ 5 ff. DRiG, welche die Voraussetzungen, den Ablauf sowie die Zielsetzung des juristischen Vorbereitungsdienstes bestimmen. Ergänzt wird das DRiG durch landesrechtliche Bestimmungen der einzelnen Bundesländer, die in Zuständigkeit der jeweiligen Justizministerien erlassen werden und sich in Referendarordnungen oder Juristenausbildungsgesetzen (z. B. JAG NRW, JAG Bayern) finden. Diese Regeln konkretisieren die Stationen des Referendariats, Prüfungsverfahren, Vergütungsregelungen und Rechte sowie Pflichten der Referendarinnen und Referendare. Zudem gelten unterschiedliche Verwaltungsvorschriften, Erlasse und Durchführungshinweise, insbesondere hinsichtlich der Zuweisung von Stationen, Beurlaubungen und Disziplinarmaßnahmen.
Welche Pflichten und Rechte haben Rechtsreferendare im Vorbereitungsdienst nach den einschlägigen Gesetzen?
Rechtsreferendarinnen und Rechtsreferendare unterliegen während des Vorbereitungsdienstes nach § 36 DRiG und entsprechenden landesrechtlichen Ausführungsbestimmungen besonderen Pflichten, zu denen insbesondere die Verschwiegenheitspflicht (§ 43 DRiG), Loyalitäts- und Treuepflicht gegenüber dem Dienstherrn sowie das Verbot der Annahme von Geschenken (§ 331 StGB i.V.m. beamtenrechtlichen Vorschriften) gehören. Außerdem besteht eine Anwesenheitspflicht an Ausbildungsveranstaltungen und ein umfassendes Pflichtbewusstsein zur Mitarbeit und eigenständigen Wissensaneignung. Auf der anderen Seite haben Referendare Anspruch auf eine monatliche Unterhaltsbeihilfe, Recht auf gesetzliche Unfallfürsorge und können Urlaub im Rahmen der Ausbildungsrichtlinien beantragen. Ihnen steht zudem das Recht auf eine faire Ausbildung und Betreuung durch qualifizierte Ausbilder zu, einschließlich der Möglichkeit, Leistungen bewerten und gegebenenfalls überprüfen zu lassen.
Wie ist das Rechtsreferendariat sozialversicherungsrechtlich eingestuft?
Das Rechtsreferendariat ist keine sozialversicherungspflichtige Beschäftigung, sondern ein öffentlich-rechtliches Ausbildungsverhältnis. Rechtsreferendare erhalten eine Unterhaltsbeihilfe, welche nach § 59 DRiG und den entsprechenden länderspezifischen Vorschriften gewährt wird. Für Referendare besteht damit in der Regel keine Versicherungspflicht in der gesetzlichen Renten-, Kranken-, Pflege- und Arbeitslosenversicherung; stattdessen müssen sie selbstständig für ihren Krankenschutz sorgen, wobei sie sich häufig freiwillig privat oder gesetzlich versichern müssen. Die beitragsrechtliche Behandlung ist im Einzelnen von individuellen Faktoren abhängig, beispielsweise von der Mitgliedschaft in der Familienversicherung oder etwaigen Nebentätigkeiten. Daneben unterliegen sie der Unfallfürsorge durch das jeweilige Bundesland.
Welche Möglichkeiten bestehen zur Verlängerung oder Verkürzung des Referendariats im rechtlichen Rahmen?
Das Rechtsreferendariat kann grundsätzlich nur aus wichtigen Gründen verlängert oder verkürzt werden. Gesetzliche Grundlagen hierfür finden sich in den Landesreferendarordnungen oder Juristenausbildungsgesetzen. Gründe für eine Verlängerung sind insbesondere Krankheit, Erziehungszeiten, Mutterschutz, Elternzeit, Pflege eines nahen Angehörigen, Wehr- oder Zivildienst sowie andere vergleichbare Verhinderungen. Die Verlängerung wird auf Antrag und Vorlage entsprechender Nachweise formell durch Verwaltungsakt gewährt. Im Gegensatz dazu ist eine Verkürzung nur ausnahmsweise gestattet, z.B. wenn bereits ein Teil des Vorbereitungsdienstes in einem anderen Bundesland oder Mitgliedstaat der Europäischen Union absolviert wurde oder in besonderen Härtefällen.
Welche Konsequenzen haben Pflichtverletzungen während des Rechtsreferendariats?
Pflichtverletzungen von Rechtsreferendarinnen und Rechtsreferendaren werden disziplinarisch nach beamtenrechtlichen Grundsätzen geahndet, wie sie sich unter anderem aus den Landesdisziplinargesetzen ergeben. Mögliche Konsequenzen reichen von schriftlichen Rügen und Verweisen bis hin zur Entfernung aus dem Vorbereitungsdienst in besonders schweren Fällen, etwa bei nachhaltigen Verstöße gegen Verschwiegenheitspflicht, strafbaren Handlungen oder grober Missachtung dienstlicher Anweisungen. Zudem kann eine Pflichtverletzung Auswirkungen auf die Leistungsbewertung und die Zulassung zur Staatsprüfung haben, gegebenenfalls ist auch die Rückforderung der Unterhaltsbeihilfe möglich. Betroffene Rechtsreferendare haben das Recht auf rechtliches Gehör und ggf. die Einlegung von Rechtsmitteln gegen dienstrechtliche Maßnahmen.
Ist eine Nebentätigkeit während des Referendariats rechtlich zulässig?
Nebentätigkeiten sind gemäß § 60 Beamtenstatusgesetz (BeamtStG) grundsätzlich genehmigungspflichtig, da Rechtsreferendare Beamten oder entsprechenden Statusgruppen während des Vorbereitungsdienstes weitgehend gleichgestellt sind. Die zuständigen Verwaltungsstellen der jeweiligen Ausbildungsgerichte oder Oberlandesgerichte müssen über den Antrag auf Genehmigung einer Nebentätigkeit entscheiden, wobei insbesondere Interessenkonflikte, die Pflicht zur vollen Konzentration auf den Vorbereitungsdienst sowie schädliche Auswirkungen auf den zeitlichen Ablauf berücksichtigt werden. Unangemeldete oder nicht genehmigte Nebentätigkeiten gelten als Dienstpflichtverletzung und können disziplinarische Konsequenzen nach sich ziehen. Die zulässige Arbeitszeit ist regelmäßig auf einen bestimmten Umfang (z.B. 10 Stunden/Woche) begrenzt.
Besteht ein Anspruch auf Teilzeit oder flexible Gestaltung während des Referendariats?
Die Möglichkeit zur Absolvierung des Rechtsreferendariats in Teilzeit ist von den Regelungen der Länder abhängig, die zum Teil auf Rechtsgrundlagen wie dem Bundesgleichstellungsgesetz (BGleiG), Mutterschutzgesetz (MuSchG) oder dem Teilzeit- und Befristungsgesetz (TzBfG) Bezug nehmen. Ein Anspruch kann im Falle von Elternschaft, Pflege oder gesundheitlicher Beeinträchtigung bestehen und muss jeweils beantragt sowie individuell genehmigt werden. In der Teilzeitvariante verlängert sich das Referendariat in der Regel entsprechend dem Verhältnis der Reduzierung. Trotz Flexibilisierung müssen alle Ausbildungsinhalte und Prüfungsleistungen wie im Vollzeitmodell erbracht werden; Abweichungen und Fristen richten sich nach den konkreten landesrechtlichen Vorgaben.