Quereinstieg in Kanzlei
Definition und Bedeutung
Der Begriff „Quereinstieg in Kanzlei“ bezeichnet den Einstieg von Personen in eine Kanzlei, deren beruflicher Werdegang ursprünglich nicht auf eine Tätigkeit im rechtsnahen Arbeitsumfeld ausgerichtet war. Dabei handelt es sich um Bewerberinnen und Bewerber, die beispielsweise aus anderen Wirtschaftszweigen, aus dem öffentlichen Dienst, aus der Verwaltung oder aus angrenzenden Fachgebieten in eine Kanzlei wechseln möchten. Der Quereinstieg umfasst neben Berufseinsteigerinnen und -einsteigern auch Personen, die im Rahmen einer Neuorientierung oder eines Karrierewechsels eine Tätigkeit in einer Kanzlei anstreben.
Diese Form des Einstiegs gewinnt zunehmend an Bedeutung, da Kanzleien von vielfältigen Qualifikationen und einem erweiterten Erfahrungsschatz profitieren können. Insbesondere neue Perspektiven, Kenntnisse in betrieblichen Abläufen oder Fähigkeiten aus anderen Branchen stellen eine wertvolle Ergänzung für das Arbeitsteam dar.
Einordnung im Bewerbungsprozess
Rolle im Bewerbungsprozess
Im klassischen Bewerbungsprozess einer Kanzlei werden oftmals Kandidatinnen und Kandidaten berücksichtigt, die eine gezielte Ausbildung oder ein Studium im rechtsnahen Bereich absolviert haben. Der Quereinstieg hingegen richtet sich an Personen, deren formale Ausbildung oder bisherige Berufserfahrung außerhalb dieses Bereichs liegen.
Quereinsteigerinnen und Quereinsteiger können sich auf unterschiedliche Positionen innerhalb einer Kanzlei bewerben, wie beispielsweise in den Bereichen Assistenz, Backoffice, IT, Marketing, Personalmanagement oder Rechnungswesen. Je nach individueller Qualifikation und ausgeschriebener Stelle kann auch ein Einstieg in Mandats- und Projektarbeit möglich sein, insbesondere wenn entsprechende Vorkenntnisse oder Schnittstellenkompetenzen vorhanden sind.
Relevanz
Kanzleien profitieren vom Quereinstieg, um auf aktuelle Anforderungen wie Digitalisierung, Projektmanagement, Mandantenbetreuung oder Prozessoptimierung zu reagieren. Für Bewerberinnen und Bewerber stellt der Quereinstieg eine Möglichkeit dar, die eigene Laufbahn um neue Tätigkeitsfelder zu erweitern und bisherige Erfahrungen einzubringen.
Anforderungen und Erwartungen von Arbeitgeberseite
Kanzleien stellen sowohl fachliche als auch persönliche Anforderungen an Quereinsteigerinnen und Quereinsteiger. Neben einer schnellen Auffassungsgabe und der Bereitschaft zur Einarbeitung in neue Aufgabenfelder werden insbesondere folgende Eigenschaften und Kompetenzen geschätzt:
- Flexibilität und Lernbereitschaft: Die Fähigkeit, sich in neue Fachgebiete einzuarbeiten und bei Bedarf Weiterbildungen zu absolvieren.
- Teamfähigkeit: Offene Kommunikation und konstruktive Zusammenarbeit mit Mitarbeitenden aus unterschiedlichen Tätigkeitsbereichen.
- Organisatorische Fähigkeiten: Sorgfältige Arbeitsweise sowie gutes Zeit- und Selbstmanagement.
- Branchenspezifisches Interesse: Bereitschaft, sich mit den in einer Kanzlei üblichen Abläufen und Themen vertraut zu machen.
- EDV-Kenntnisse: Der sichere Umgang mit gängigen Office-Programmen und digitalen Arbeitsmitteln ist in vielen Kanzleien unverzichtbar.
Für den erfolgreichen Quereinstieg ist zudem ein überzeugendes Motivationsschreiben von Vorteil, das die Beweggründe für den Wechsel sowie übertragbare Kompetenzen klar und nachvollziehbar darlegt.
Typische Missverständnisse und Fehlinterpretationen
Ein weit verbreitetes Missverständnis ist, dass ein Quereinstieg in einer Kanzlei grundsätzlich ohne fachliche Vorkenntnisse möglich ist. Zwar werden facheinschlägige Abschlüsse nicht immer vorausgesetzt, jedoch sollten Bewerberinnen und Bewerber realistische Erwartungen in Bezug auf Einarbeitungszeit und Leistungsanforderungen mitbringen.
Ein weiteres Missverständnis betrifft die Hierarchie und Entwicklungswege in einer Kanzlei. Der Quereinstieg bedeutet oftmals, zunächst in unterstützenden oder administrativen Funktionen zu beginnen. Direkte Tätigkeiten mit hoher Eigenverantwortung oder Mandantschaftsbezug sind in der Regel an gesonderte Einarbeitung oder Weiterqualifizierung gebunden.
Praktische Tipps für Bewerberinnen und Bewerber
- Stärken gezielt herausstellen: Überlegen Sie, welche Ihrer bisherigen Erfahrungen oder Soft Skills einen Mehrwert für die Kanzlei bieten (z. B. Projektmanagement, Organisationstalent, Kommunikationsfähigkeit).
- Fachliches Interesse bekunden: Informieren Sie sich über Strukturen, typische Arbeitsabläufe und die Werte der Zielkanzlei, um in Anschreiben und Gespräch gezielt darauf eingehen zu können.
- Lernbereitschaft belegen: Verdeutlichen Sie im Lebenslauf und Anschreiben Ihre Bereitschaft, sich schnell in neue Materien einzuarbeiten, und führen Sie ggf. absolvierte Fortbildungen oder Weiterbildungspläne an.
- Netzwerke nutzen: Der Kontakt zu Mitarbeitenden von Kanzleien oder der Besuch von Karriereveranstaltungen kann die Chancen auf einen erfolgreichen Quereinstieg erhöhen.
- Offenheit im Bewerbungsgespräch: Legen Sie Ihre Motivation für den Quereinstieg offen dar und gehen Sie souverän mit möglichen Lücken im Bereichserfahrung um.
- Anpassungsfähigkeit demonstrieren: Zeigen Sie, dass Sie sich flexibel auf neue Arbeitsmethoden oder digitale Tools einlassen können.
Häufig gestellte Fragen (FAQ)
Ist ein Quereinstieg in jeder Kanzlei möglich?
Die Möglichkeiten für Quereinsteigerinnen und Quereinsteiger unterscheiden sich je nach Größe, Schwerpunkt und interner Struktur der Kanzlei. Während größere Einheiten häufig standardisierte Programme für Quereinsteiger anbieten, legen kleinere Kanzleien besonderen Wert auf Eigeninitiative und individuelles Engagement.
Welche Positionen eignen sich besonders für Quereinsteigerinnen und Quereinsteiger?
Geeignete Bereiche sind vor allem Assistenz, Backoffice, Rechnungswesen, IT, Marketing, Human Resources sowie allgemeine Verwaltung. Teilweise sind auch Tätigkeiten im direkten Mandantenkontakt oder in projektbezogenen Arbeitsbereichen möglich.
Wie hoch sind die Anforderungen an Quereinsteigerinnen und Quereinsteiger?
Die Anforderungen variieren nach Aufgabenbereich und Tätigkeit. Grundsätzlich wird eine selbstständige Arbeitsweise, Lernbereitschaft sowie die Bereitschaft zur Übernahme neuer Aufgaben erwartet. Fachliche Kompetenzen können durch Schulungen oder „training on the job“ vermittelt werden.
Was sollte das Anschreiben für den Quereinstieg enthalten?
Das Anschreiben sollte klar vermitteln, warum Sie sich für den Karriereweg in der Kanzlei interessieren, welche Kompetenzen Sie mitbringen und wie Sie einen Mehrwert schaffen können. Konkrete Beispiele und die Reflektion eigener Lernprozesse sind hierbei hilfreich.
Welche Entwicklungsmöglichkeiten bestehen nach einem erfolgreichen Quereinstieg?
Nach erfolgreicher Einarbeitung und Bewährung sind Aufstiegsmöglichkeiten in verschiedenen Tätigkeitsbereichen realistisch. Weiterbildungen, Übernahme neuer Verantwortungsbereiche und die Mitwirkung an Projekten bieten Chancen zur Weiterentwicklung.
Dieser Artikel bietet einen umfassenden Überblick zum Thema Quereinstieg in Kanzlei und unterstützt Bewerberinnen und Bewerber dabei, den Einstieg und die Besonderheiten dieses Karrierewegs besser zu verstehen.
Häufig gestellte Fragen
Welche Voraussetzungen müssen für einen Quereinstieg in eine Kanzlei erfüllt sein?
Für einen Quereinstieg in eine Kanzlei gelten je nach Tätigkeitsbereich und rechtlicher Ausgestaltung unterschiedliche Voraussetzungen. Grundsätzlich unterscheidet sich die Rechtslage danach, ob ein Quereinsteiger im juristischen Bereich (zum Beispiel als juristischer Mitarbeiter, Syndikus, Rechtsanwalt) oder in nicht-juristischen Funktionen (wie Sekretariat, IT, Buchhaltung) tätig werden möchte. Für juristische Tätigkeiten ist in aller Regel das Bestehen des ersten und zweiten juristischen Staatsexamens erforderlich, insbesondere wenn die Tätigkeit als Rechtsanwalt ausgeübt werden soll (§ 4 BRAO). Ausnahmen sind Tätigkeiten als wissenschaftlicher Mitarbeiter oder Referendar, für die bereits ein abgeschlossenes erstes Staatsexamen ausreichend sein kann. Für Positionen im nicht-juristischen Bereich müssen hingegen keine spezifischen juristischen Abschlüsse nachgewiesen werden, hier entscheidet die Kanzlei einzeln über die Einstellungskriterien. Generell ist jedoch zu beachten, dass die rechtlichen Grenzen unbedingt eingehalten werden müssen, um keine unerlaubte Rechtsberatung im Sinne des Rechtsdienstleistungsgesetzes (RDG) zu erbringen.
Welche rechtlichen Bestimmungen gelten beim Quereinstieg hinsichtlich Verschwiegenheit und Datenschutz?
Beim Quereinstieg in eine Kanzlei sind die Vorschriften zur Verschwiegenheitspflicht und zum Datenschutz von grundlegender Bedeutung. Juristen sind gem. § 43a Abs. 2 BRAO zur Verschwiegenheit verpflichtet; dies gilt auch für alle Mitarbeitenden, unabhängig davon, ob sie als Quereinsteiger juristisch oder außerjuristisch tätig sind. Die Verschwiegenheitspflicht erstreckt sich auf sämtliche Informationen, die im Rahmen der anwaltlichen Tätigkeit bekannt werden. Verstöße können strafrechtliche Konsequenzen nach sich ziehen (§ 203 StGB). Gleichzeitig ist die Einhaltung der datenschutzrechtlichen Vorgaben aus der Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO) und dem Bundesdatenschutzgesetz (BDSG) zwingend erforderlich. Dazu zählt eine ordnungsgemäße Einweisung aller Mitarbeitenden, auch Quereinsteigern, in die digitalen und organisatorischen Schutzmaßnahmen sowie eine Unterweisung über die besonderen Anforderungen an die Verarbeitung von Mandantendaten.
Welche Haftungsregeln gelten für Quereinsteiger in Kanzleien?
Die Haftung von Quereinsteigern richtet sich maßgeblich nach der Art ihrer Tätigkeit. Bei juristischen Tätigkeiten, insbesondere, wenn Quereinsteiger als Rechtsanwalt zugelassen sind, haften sie persönlich und können im Rahmen der Berufshaftpflichtversicherung in Anspruch genommen werden (§ 51 BRAO). Für nicht-juristische Mitarbeitende besteht eine Haftung analog zu anderen Angestellten, das heißt, sie haften grundsätzlich nur bei grober Fahrlässigkeit oder Vorsatz. Bei einfachen Fehlern greift der innerbetriebliche Schadensausgleich, sodass eine Haftung des Quereinsteigers meist ausgeschlossen ist. Bei schuldhafter Verletzung von Pflichten (z.B. Pflicht zur Verschwiegenheit, Fristenkontrolle) ist jedoch auf die individuellen arbeitsrechtlichen und ggf. eben auch strafrechtlichen Konsequenzen zu achten.
Ist es rechtlich zulässig, als Quereinsteiger ohne juristische Ausbildung Mandanten zu beraten?
Gemäß § 3 Rechtsdienstleistungsgesetz (RDG) ist die Erbringung von Rechtsdienstleistungen ausschließlich denjenigen vorbehalten, die eine entsprechende Qualifikation nachweisen können (beispielsweise Rechtsanwälte, Steuerberater, Notare). Ohne juristische Ausbildung bzw. ohne Zulassung zur entsprechenden Kammer ist es Quereinsteigern daher nicht gestattet, eigenverantwortlich Mandanten rechtlich zu beraten oder zu vertreten. Ausnahmen gibt es lediglich für „rechtsdienstleistende Nebenleistungen“, die in enger Verbindung mit einer Hauptleistung stehen, diese dürfen jedoch nur unterstützend erbracht werden. Eine Missachtung dieser Regelungen stellt eine unerlaubte Rechtsdienstleistung dar und kann bußgeld- und strafrechtliche Folgen haben (§ 20 RDG). Quereinsteiger können jedoch als Assistenz oder in administrativen Tätigkeiten eingesetzt werden – ohne eigenständige rechtliche Beratung durchzuführen.
Welche rechtlichen Rahmenbedingungen gelten für die Vergütung von Quereinsteigern?
Für die Vergütung von Quereinsteigern in Kanzleien existieren keine speziellen gesetzlichen Regelungen; es greifen die allgemeinen Vorschriften des Arbeitsvertragsrechts (BGB, HGB, ggf. TVöD). Das Gehalt wird in der Regel individuell vereinbart. Bei Tätigkeiten als angestellter Rechtsanwalt sind jedoch die Vorgaben der BRAO und des anwaltlichen Berufsrechts zu berücksichtigen, etwa im Hinblick auf Transparenz und die Abrechnung von Mandaten nach dem Rechtsanwaltsvergütungsgesetz (RVG) oder aufgrund getroffener Honorarvereinbarungen. Für sonstige Beschäftigte gelten die arbeitsvertraglichen und ggf. tariflichen Regelungen. Bei der Einordnung als Praktikant, freier Mitarbeiter oder Angestellter ist auf die jeweiligen arbeitsrechtlichen Folgen, insbesondere bezüglich Urlaub, Sozialversicherungspflicht und Kündigungsfristen, zu achten.
Gibt es rechtliche Beschränkungen bezüglich der Aufstiegschancen für Quereinsteiger?
Rechtliche Beschränkungen hinsichtlich der Aufstiegschancen bestehen grundsätzlich nicht – sie hängen jedoch maßgeblich von der Qualifikation des Quereinsteigers sowie von den Vorgaben der standesrechtlichen Gesetze (BRAO, BORA, RDG) ab. Leitungs- oder Partnerfunktionen dürfen in der Regel nur von Personen mit juristischer Ausbildung bzw. mit Zulassung zur Anwaltschaft übernommen werden (§ 59a BRAO). Für Positionen im administrativen oder unterstützenden Bereich existieren hingegen keine rechtlichen Einschränkungen bezüglich des Aufstiegs. Auch hier ist jedoch sicherzustellen, dass keine unerlaubte Rechtsberatung durch Quereinsteiger stattfindet.
Unterliegen Quereinsteiger besonderen arbeitsrechtlichen Regelungen?
Quereinsteiger sind den allgemeinen arbeitsrechtlichen Vorschriften in Deutschland unterworfen (z. B. Kündigungsschutzgesetz, Arbeitszeitgesetz, Mutterschutzgesetz). Es gibt keine Sonderregelungen allein aufgrund des Quereinstiegs in eine Kanzlei. Allerdings müssen Quereinsteiger – wie alle Mitarbeitenden – eine arbeitsvertragliche Tätigkeit ausüben, die mit geltendem Berufs- und Standesrecht vereinbar ist. Insbesondere das Weisungsrecht des Arbeitgebers darf keine Tätigkeiten vorsehen, die ausschließlich einem Berufsstand vorbehalten sind (z.B. Substitutentätigkeit ohne Zulassung). Arbeitsverträge mit Quereinsteigern dürfen daher rechtlich nur solche Aufgaben enthalten, die ihrer Qualifikation und dem jeweiligen Berufsrecht entsprechen.