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Practice Group


Practice Group

Definition und Herkunft des Begriffs

Der Begriff Practice Group stammt aus dem englischsprachigen Kanzleikontext. Wörtlich übersetzt bedeutet er etwa Praxisgruppe oder Arbeitsgruppe. Practice Groups sind in vielen internationalen Wirtschaftssozietäten ein zentrales Organisationsmerkmal. Sie bezeichnen innerhalb einer Kanzlei eine Gruppe von Anwältinnen und Anwälten, die sich auf ein bestimmtes Rechtsgebiet, eine Branchenlösung oder eine sachbezogene Dienstleistung gemeinsam ausrichten. Die Einteilung in Practice Groups erleichtert die Spezialisierung, Zusammenarbeit und Entwicklung von Fachwissen in einem festgelegten Themenfeld.

Ursprünglich hat sich dieses Modell in angloamerikanischen Kanzleien etabliert, es ist jedoch zunehmend auch im deutschsprachigen und internationalen Raum verbreitet.

Bedeutung im Kanzleikontext

In Kanzleien steht der Begriff Practice Group für die interne Gliederung nach Rechtsgebieten oder Wirtschaftszweigen, wie etwa Corporate/M&A, Arbeitsrecht oder Banking & Finance. Die Zuordnung zu einer Practice Group ermöglicht es Kanzleien, Mandate gezielt nach fachlichem Schwerpunkt zu bearbeiten und Ressourcen effizient zu bündeln. Häufig arbeiten innerhalb einer Practice Group mehrere Personen verschiedener Karrierestufen zusammen, von Berufseinsteigenden bis zu erfahrenen Partnerinnen und Partnern.

Practice Groups spielen eine wichtige Rolle im Recruiting und bei der strategischen Entwicklung der Kanzlei. Neue Mitarbeitende werden in der Regel einer bestimmten Practice Group zugeordnet, was das Onboarding und die fachliche Entwicklung erleichtert.

Rahmenbedingungen

Rechtliche Aspekte

Practice Groups sind keine eigenständigen Rechtsträger, sondern rein organisatorische Einheiten innerhalb der Kanzlei. Sie begründen keine besonderen rechtlichen Beziehungen, sondern dienen der Gliederung interner Abläufe. Die Zugehörigkeit zu einer Practice Group ist in der Regel vertraglich nicht festgeschrieben und kann sich je nach Mandatssituation oder Interessenslage verändern.

Organisatorische Aspekte

Die organisatorische Umsetzung von Practice Groups variiert nach Kanzleigröße und -struktur. Einige Kanzleien setzen auf klar definierte Practice Groups mit festen Leitungen, regelmäßigen Meetings und eigener Budgetverantwortung. Andere pflegen flexiblere Gruppierungen, die sich projektbezogen an den Bedürfnissen der Mandate orientieren.

Ein wesentliches Kennzeichen ist die interdisziplinäre Zusammenarbeit, die sich häufig auch auf die Zusammenarbeit mit anderen Teams wie Knowledge Management, Assistenz oder Business Development erstreckt.

Kulturelle Aspekte

Die Zugehörigkeit zu einer Practice Group prägt oftmals die fachliche Identität und das interne Netzwerk. Gemeinsame Fortbildungen, Fallbesprechungen und die Entwicklung von Fachpublikationen sind typischer Bestandteil des Gruppenlebens. In international tätigen Kanzleien bestehen Practice Groups oft auch über Ländergrenzen hinweg und arbeiten in internationalen Teams zusammen.

Praxisbeispiele und typische Szenarien

Eine internationale Wirtschaftskanzlei unterteilt ihre Tätigkeitsschwerpunkte in Practice Groups wie Real Estate, Intellectual Property oder Tax. Bewerbende geben oft bei der Bewerbung eine Präferenz für eine bestimmte Practice Group an.
Neue Mitarbeitende werden in der Regel einer Practice Group zugeordnet und betreut, wo sie an Mandaten mitarbeiten, interne Weiterbildungsmöglichkeiten erhalten und in dem gewählten Fachbereich ihre Karriere entwickeln.
Für die Gewinnung von Mandaten wird ein Pitch-Team aus Mitgliedern verschiedener Practice Groups zusammengestellt, um Mandanten umfassend zu beraten.
Bei komplexen Fällen mit Überschneidungen mehrerer Rechtsgebiete arbeiten verschiedene Practice Groups projektbezogen zusammen.

Unterschiede zu ähnlichen Begriffen und mögliche Missverständnisse

Der Begriff Practice Group wird gelegentlich mit Begriffen wie Team, Abteilung oder Sektion verwechselt. Während diese Begriffe allgemein für organisatorische Einheiten stehen, bezeichnet die Practice Group speziell die Ausrichtung nach einem fachlichen oder thematischen Schwerpunkt innerhalb der Kanzlei.

Ein häufiger Irrtum ist, dass Practice Groups immer festen Regeln folgen müssten oder ausschließlich für Mandatsbearbeitung zuständig sind. Tatsächlich gibt es je nach Kanzleikultur und -größe unterschiedliche Ausprägungen, von informellen Arbeitsgruppen bis hin zu strategisch geführten Praxisbereichen.

Häufig gestellte Fragen (FAQ)

Was ist eine Practice Group in einer Kanzlei?

Eine Practice Group ist eine interne Gruppe innerhalb einer Kanzlei, die sich auf ein bestimmtes Rechtsgebiet oder einen spezifischen Branchenschwerpunkt ausrichtet.

Wie unterscheiden sich Practice Groups von Teams oder Abteilungen?

Practice Groups sind fachlich oder thematisch organisiert und können unabhängig von der hierarchischen oder personellen Einteilung der Kanzlei bestehen. Teams oder Abteilungen sind meist organisatorische Strukturen mit festen Zuständigkeiten.

Muss ich mich bei der Bewerbung auf eine bestimmte Practice Group festlegen?

In vielen Kanzleien können Bewerbende einen Schwerpunkt auswählen, oft wird die endgültige Zuordnung aber nach den Bedürfnissen der Kanzlei und dem persönlichen Profil getroffen. In manchen Fällen ist zu Beginn auch die Mitarbeit in mehreren Practice Groups möglich.

Welche Rolle spielen Practice Groups für die persönliche Entwicklung?

Practice Groups bieten gezielte Fortbildung, ermöglichen das Arbeiten an spezialisierten Mandaten und fördern den Austausch unter Kolleginnen und Kollegen mit ähnlichen fachlichen Interessen.

Gibt es Practice Groups auch in kleineren Kanzleien?

Das Konzept findet sich überwiegend in mittelgroßen und großen Kanzleien, kann aber auch in kleineren Einheiten zur Strukturierung nach Tätigkeitsfeldern eingesetzt werden.


Durch die Einordnung und Erklärung des Begriffs Practice Group sowie der typischen Szenarien und Strukturen erhalten Berufseinsteigerinnen und -einsteiger eine praxisnahe Orientierungshilfe für den Kanzleialltag und das internationale Kanzleiumfeld.

Häufig gestellte Fragen

Wie erfolgt die Zuordnung von Mandaten zu einer Practice Group in einer Kanzlei?

In einer Kanzlei werden Mandate in der Regel auf Basis ihrer inhaltlichen und rechtlichen Schwerpunkte einer Practice Group zugeordnet. Dies geschieht nach eingehender Prüfung des zugrundeliegenden Sachverhalts sowie der branchenspezifischen und fachlichen Anforderungen. Die Entscheidung über die Zuordnung obliegt üblicherweise einem erfahrenen Partner oder einem Komitee, das die mandatsspezifischen Bedürfnisse mit den Kompetenzen der verschiedenen Practice Groups abgleicht. Dabei werden Kriterien wie die Spezialisierung der Anwältinnen und Anwälte in der jeweiligen Practice Group, bisherige vergleichbare Mandate, regionale Zuständigkeiten und mögliche Interessenkonflikte sorgfältig berücksichtigt. Die exakte Dokumentation der Mandatszuordnung dient zudem der Einhaltung berufsrechtlicher Vorgaben und der Qualitätssicherung.

Welche rechtlichen Rahmenbedingungen gelten für die interne Zusammenarbeit innerhalb einer Practice Group?

Die interne Zusammenarbeit in einer Practice Group unterliegt zahlreichen rechtlichen Vorgaben, darunter insbesondere dem Berufsrecht der Rechtsanwälte und standesrechtlichen Pflichten. Hierzu zählt das Gebot der Vertraulichkeit gemäß § 43a Abs. 2 BRAO und die Mandatswahrungspflicht. Innerhalb der Practice Group ist die Weitergabe von Informationen über Mandate nur in dem Umfang zulässig, wie es zur ordnungsgemäßen Mandatsbearbeitung erforderlich ist. Zudem müssen Maßnahmen zur Wahrung des Datenschutzes, insbesondere nach der Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO), getroffen werden, wenn personenbezogene Daten mandatsübergreifend verarbeitet werden. Interessenkonflikte, die sich durch die Zusammenarbeit verschiedener Mitglieder ergeben können, müssen nach § 43a Abs. 4 BRAO und § 356 StGB beurteilt und gegebenenfalls verhindert werden.

Welche Compliance-Anforderungen müssen Practice Groups erfüllen?

Practice Groups sind verpflichtet, sämtliche Compliance-Anforderungen einzuhalten, die sich aus dem anwaltlichen Berufsrecht, dem Geldwäschegesetz (GwG) und weiteren spezialgesetzlichen Vorgaben ergeben. Die Practice Group muss sicherstellen, dass interne Abläufe zur Verhinderung von Geldwäsche und Terrorismusfinanzierung implementiert sind. Hierzu gehören die Identifizierungspflichten nach dem GwG, die Dokumentations- und Meldepflichten sowie regelmäßige Schulungen aller Gruppenmitglieder zu relevanten Compliance-Themen. Darüber hinaus ist die Practice Group gehalten, ein internes Kontrollsystem (IKS) zur Überwachung und Einhaltung der gesetzlichen und internen Vorgaben zu etablieren. Verstöße gegen Compliance-Vorschriften können zu erheblichen rechtlichen und berufsrechtlichen Konsequenzen für die Kanzlei und beteiligte Rechtsanwälte führen.

Welche Auswirkungen haben Interessenkonflikte auf die Arbeit der Practice Group?

Interessenkonflikte wirken sich unmittelbar auf die Mandatsannahme und -bearbeitung durch eine Practice Group aus. Kommt es zu einem möglichen oder tatsächlichen Interessenkonflikt, etwa durch die Vertretung widerstreitender Interessen nach § 43a Abs. 4 BRAO oder § 3 BORA, darf die Practice Group das Mandat nicht annehmen oder muss es unverzüglich niederlegen. Die Prüfung potentieller Interessenkonflikte wird häufig durch spezielle Software und dokumentierte Prozesse unterstützt. Eine fortlaufende Überwachung ist erforderlich, da Interessenkonflikte auch während der Mandatsbearbeitung auftreten können. Zudem kann sich die Aufteilung der Practice Groups innerhalb der Kanzlei – beispielsweise durch die Schaffung sogenannter Chinese Walls – als effektives Mittel zur Vermeidung berufsrechtlicher Konflikte erweisen.

Welche Dokumentationspflichten bestehen innerhalb einer Practice Group?

Innerhalb einer Practice Group bestehen umfangreiche Dokumentationspflichten im Hinblick auf die Mandatsbearbeitung, Entscheidungsprozesse und interne Kommunikation. Diese umfassen die lückenlose Erfassung sämtlicher Rechtsberatungsleistungen, die nachvollziehbare Begründung der Mandatszuordnung und die Protokollierung relevanter Besprechungen oder Abstimmungen. Auch der Umgang mit Dokumenten und Akten ist nach § 50 BRAO und der DSGVO rechtlich geregelt, wobei stets sichergestellt werden muss, dass die Vertraulichkeit und Integrität der Daten garantiert wird. Darüber hinaus muss die Practice Group Verfahren zur revisionssicheren Archivierung und der termingerechten Vernichtung sensibler Unterlagen implementieren.

Wie ist die Verantwortung innerhalb einer Practice Group strukturiert?

In rechtlicher Hinsicht ist die Verantwortung innerhalb einer Practice Group klar geregelt. Die fachliche und organisatorische Leitung wird in der Regel durch einen sogenannten Practice Group Leader wahrgenommen, der für die Einhaltung der rechtlichen Vorgaben, die strategische Ausrichtung der Gruppe und die Qualitätssicherung verantwortlich ist. Dennoch trägt jede Rechtsanwältin und jeder Rechtsanwalt individuelle Verantwortung für die ordnungsgemäße Mandatsbearbeitung nach § 43 BRAO. Die Leitungsfunktion beinhaltet ferner die Verpflichtung, für die regelmäßige Fortbildung und Einhaltung interner wie externer Standards Sorge zu tragen und etwaige Verstöße oder Risiken proaktiv an die Kanzleileitung zu berichten. Im Falle von Pflichtverletzungen haften sowohl die Gruppe als auch die einzelnen Verantwortlichen nach den allgemeinen zivilrechtlichen und berufsrechtlichen Grundsätzen.

Welche Rolle spielen Practice Groups beim Wissenstransfer in Kanzleien?

Practice Groups übernehmen eine zentrale Rolle beim Wissenstransfer innerhalb von Kanzleien. Sie fördern den kontinuierlichen Austausch über neueste rechtliche Entwicklungen, aktuelle Rechtsprechung und Best Practices in ihrem jeweiligen Rechtsgebiet. Die Practice Group organisiert hierzu regelmäßig interne Fortbildungen, Workshops und Meetings zur Sicherstellung einer einheitlichen Wissensbasis aller Gruppenmitglieder. Zugleich sind sie häufig federführend bei der Erstellung interner Leitfäden, Handbücher oder Mandanteninformationen. Der Wissenstransfer erfolgt stets im Einklang mit datenschutz- und berufsrechtlichen Anforderungen, sodass vertrauliche Mandatsinformationen nur innerhalb der genehmigten Gruppen und Personenkreise ausgetauscht werden dürfen. Die konsequente Dokumentation und Evaluierung des Wissenstransfers ist zudem Bestandteil der Qualitätssicherungsmaßnahmen der Kanzlei.