Legal Lexikon

Lerngruppen im Referendariat


Lerngruppen im Referendariat: Rechtliche Einordnung und Bedeutung

Lerngruppen im Referendariat sind organisierte Zusammenschlüsse von Referendarinnen und Referendaren, die sich mit dem Ziel treffen, gemeinsam fachliche Inhalte zu erarbeiten, den Vorbereitungsdienst zu begleiten und sich auf Prüfungen vorzubereiten. Im juristischen Vorbereitungsdienst – insbesondere im Rahmen des Zweiten Staatsexamens – nehmen Lerngruppen eine zentrale Rolle ein. Die rechtlichen Rahmenbedingungen sowie die Bedeutung, Funktionen und Grenzen solcher Gruppen sind vielschichtig und unterliegen unterschiedlichen Bestimmungen der jeweiligen Landesrechtsordnungen.


Definition und rechtlicher Rahmen

Begriff und Abgrenzung

Lerngruppen im Referendariat bezeichnen solche Zusammenschlüsse, bei denen mindestens zwei, häufig jedoch mehrere angehende Volljuristinnen und Volljuristen regelmäßig außerhalb des offiziellen Ausbildungsunterrichts Inhalte gemeinsam wiederholen, besprechen und vertiefen. Sie sind rechtlich von den verpflichtenden Veranstaltungen der öffentlichen Ausbildungsstätten zu trennen, da sie auf freiwilliger Basis und eigenständig organisiert werden.

Zulässigkeit und rechtliche Maßgaben

Das deutsche Recht kennt keine ausdrücklichen bundesweit einheitlichen Regelungen für Lerngruppen im Referendariat. Die Zulässigkeit ergibt sich vielmehr aus dem allgemeinen Grundsatz der Ausbildungsfreiheit und dem Recht auf freie Entfaltung der Persönlichkeit (Art. 2 Abs. 1 GG). Ergänzend werden im Landesrecht, insbesondere durch die jeweiligen Juristenausbildungsgesetze (JAG) und Ausbildungs- und Prüfungsordnungen (APO), mittelbar Rahmenbedingungen geschaffen.

In einigen Bundesländern fördern Justizprüfungsämter und Oberlandesgerichte Lerngruppen ausdrücklich, indem sie Informationsmaterial oder organisatorische Unterstützung anbieten. Eine Verpflichtung zur Teilnahme kann jedoch nicht aufgestellt werden; die Teilnahme bleibt freiwillig und erfolgt auf privater Basis.


Funktionen und rechtliche Besonderheiten

Förderung des gemeinschaftlichen Lernens

Lerngruppen dienen dazu, den Lerneffekt durch Austausch, Diskussion und gegenseitige Unterstützung zu steigern. Auch der Umgang mit examensrelevanten Klausuren und Aktenvorträgen kann übungsweise gemeinsam erfolgen, ohne dass damit gegen Prüfungsschutzgesetze oder Gleichheitsgrundsätze verstoßen wird. Es obliegt jedoch allen Mitgliedern, prüfungsrechtliche Grenzen einzuhalten.

Datenschutz und Geheimhaltung

Ein bedeutender rechtlicher Aspekt betrifft den Umgang mit dienstlichen Unterlagen, besonders im Rahmen der Stationsausbildung mit Zugang zu nicht-öffentlichen Akten oder Daten. Die Weitergabe von vertraulichen Informationen, insbesondere Anwaltsgeheimnissen, behördlichen Sachverhalten oder personenbezogenen Daten, ist untersagt und kann straf- sowie dienstrechtliche Konsequenzen haben (§ 203 StGB, einschlägige Vertraulichkeitsgebote im Beamten- und Datenschutzrecht).

Umgang mit Übungsmaterialien

Auch der Austausch von nicht-öffentlich zugänglichen Prüfungsaufgaben oder dienstlichen Dokumenten ist untersagt. Die Überschreitung dieser Grenze kann als Täuschungsversuch gewertet werden und zu prüfungsrechtlichen Sanktionen führen (§ 24 JAG NRW; § 20 JAG Baden-Württemberg).


Lerngruppen und Prüfungsrecht

Grenzziehung zur Prüfungsleistung

Lerngruppen sind ausschließlich zur Vorbereitung, nicht zur gemeinsamen Anfertigung von Prüfungsleistungen zugelassen. Das selbständige Anfertigen von Aufsichtsarbeiten und Hausarbeiten stellt eine elementare Voraussetzung für die Bewertung der individuellen Leistung dar. Lerngruppen dürfen sich daher lediglich auf Vorbereitungsmaßnahmen beschränken, etwa Besprechungen und gemeinsame Lösungen nach Abschluss der eigenständigen Bearbeitung.

Täuschungsvorwürfe

Werden im Rahmen von Prüfungsarbeiten Inhalte abgestimmt oder gar gemeinsam formuliert, liegt ein Verstoß gegen das Gebot der Eigenständigkeit vor. Die jeweiligen Prüfungsordnungen regeln dies ausdrücklich und sehen Sanktionen (insbesondere Annullierung der Prüfungsleistung, mögliche Versagung der Zulassung zur weiteren Prüfung) vor (vgl. §§ 22, 25 JAG Mecklenburg-Vorpommern; § 19 Abs. 1 JAG Bayern).


Rechtliche Bewertung von Lerngruppenverträgen

Vertragsfreiheit und Haftungsfragen

Lerngruppen sind in der Regel nicht durch formelle Verträge geregelt. Kommt es jedoch zu formellen Vereinbarungen, greifen die allgemeinen Vorschriften des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB). Eine Haftung etwa bei Verletzung von Verschwiegenheitspflichten kann sich bei nachweislichen Verstößen aus § 280 BGB (Schadensersatz) ergeben. Ein schuldhaftes Verhalten liegt bei bewusster Weitergabe geschützter Informationen oder Unterlagen vor.

Ausschluss von Ansprüchen

Der interne Charakter der Lerngruppen schließt in der Regel einen Rechtsanspruch auf Teilnahme, auf inhaltliche Richtigkeit der vermittelten Informationen oder auf eine spezifische Ergebnisverantwortung aus. Individuelle Absprachen über Lerninhalte oder Arbeitsteilung sind grundsätzlich erlaubt, solange sie nicht gegen öffentlich-rechtliche Vorschriften oder Prüfungsordnungen verstoßen.


Lerngruppenorganisation und Arbeitsrecht im Referendariat

Arbeitszeit und dienstliche Verpflichtungen

Der Besuch von Lerngruppen ist keine dienstliche Veranstaltung und zählt nicht zur Dienst- oder Arbeitszeit des Referendariats. Das eigenständige Zeitmanagement sowie die Verantwortung zur Wahrnehmung von dienstlichen Terminen und Pflichten bleibt von der Teilnahme an Lerngruppen unberührt.

Verhalten im Dienstverhältnis

Referendarinnen und Referendare unterliegen während des Vorbereitungsdienstes beamtenrechtlichen und/oder öffentlich-rechtlichen Verhaltenspflichten. Die in Lerngruppen erworbenen Kenntnisse dürfen genutzt, nicht jedoch als amtliche Informationen in die Öffentlichkeit oder an Unbefugte weitergegeben werden (§ 37 Beamtenstatusgesetz; Verschwiegenheitspflichten nach § 57 DRiG).


Zusammenfassung und rechtlicher Ausblick

Lerngruppen im Referendariat sind ausbildungsrechtlich zulässige, freiwillige Zusammenschlüsse ohne förmliche Rechtsform. Sie unterliegen keiner spezifischen gesetzlichen Regelung, werden jedoch durch allgemeine Grundsätze des Prüfungsrechts, Datenschutzes und – je nach Arbeitssituation – des Dienstrechts maßgeblich begrenzt. Der rechtssichere Umgang verlangt, dass die individuelle Prüfungsleistung unangetastet bleibt und keine dienstlichen oder vertraulichen Informationen zweckwidrig verwendet werden.

Eine Missachtung der bestehenden rechtlichen Rahmenbedingungen kann schwerwiegende dienst-, prüfungs- und strafrechtliche Folgen haben. Für Referendarinnen und Referendare empfiehlt sich daher eine genaue Kenntnis der einschlägigen Landesgesetze, Prüfungsordnungen sowie eine zurückhaltende und verantwortungsbewusste Organisation und Durchführung von Lerngruppentreffen im Referendariat.

Häufig gestellte Fragen

Welche rechtlichen Vorgaben gibt es zur Gründung von Lerngruppen während des Referendariats?

Aus rechtlicher Sicht bestehen keine bundeseinheitlichen gesetzlichen Regelungen zur Gründung von Lerngruppen im Referendariat. Die Zuständigkeit fällt in der Regel unter das jeweilige Landesrecht sowie die Verordnungen der zuständigen Studienseminare oder Ausbildungsstätten. Weder das Beamtenrecht noch das Schulrecht untersagen explizit die Bildung von Lerngruppen. In manchen Bundesländern ist jedoch vorgeschrieben, dass sich Lerngruppenarbeitszeiten nicht mit Pflichtveranstaltungen überschneiden dürfen, um die Anwesenheitspflicht zu gewährleisten. Datenschutzrechtliche Aspekte müssen beachtet werden, insbesondere wenn sensible Informationen oder personenbezogene Daten aus dem Ausbildungsbetrieb geteilt oder besprochen werden. In Einzelfällen können Ausbildungsordnungen spezielle Vorgaben zu Rahmen und Dokumentation von Gruppentreffen enthalten. Es empfiehlt sich daher, vor Gründung der Lerngruppe Einsicht in die gültigen Regelungen des jeweiligen Seminars oder Landes zu nehmen.

Unterliegen Lerngruppen im Referendariat einer Aufsichtspflicht?

Lerngruppen, die eigeninitiativ und außerhalb des verpflichtenden Ausbildungsprogramms gebildet werden, unterliegen grundsätzlich keiner direkten Kontrolle oder Aufsicht durch das Studienseminar oder die Schulverwaltung. Die Verantwortung für Ablauf und Inhalte liegt bei den Teilnehmenden selbst. Sollte jedoch die Lerngruppe im Rahmen des offiziellen Ausbildungsangebots verortet sein, etwa als verpflichtende Arbeitsgemeinschaft, können aufsichtsrechtliche Vorgaben greifen, wie etwa die Bestellung einer aufsichtsführenden Lehrkraft. Für behördlich nicht organisierte Lerngruppen besteht allerdings keine melde- oder genehmigungspflichtige Aufsicht. Die Rahmenbedingungen sollten dennoch im Sinne der dienstlichen Interessen sowie der Wahrung dienstlicher Geheimhaltung gestaltet werden.

Können durch Lerngruppen Prüfungsrelevant relevante Informationen unzulässig werden?

Die Bearbeitung prüfungsrelevanter Themen in Lerngruppen stellt grundsätzlich keinen rechtlichen Verstoß dar, sofern die zu behandelnden Inhalte nicht unter eine besondere Geheimhaltung fallen oder durch Regularien (z.B. bei Klausuren im Ausbildungsdienst) gesondert geschützt sind. Der Austausch über bewertete Prüfungsarbeiten, Lösungen oder dienstliche Unterlagen kann jedoch problematisch sein und gegen prüfungsrechtliche Bestimmungen oder Verschwiegenheitspflichten (§ 37 BeamtStG) verstoßen. Referendarinnen und Referendare sollten sicherstellen, dass durch die Zusammenarbeit keine Prüfungsmodalitäten umgangen werden und keine unerlaubte Hilfeleistung stattfindet, die als Täuschungsversuch gewertet werden könnte.

Besteht eine Haftung bei Handlungen im Rahmen von Lerngruppen?

Da Lerngruppen in der Regel als private Veranstaltungen unter den Referendaren zu betrachten sind, trägt jede teilnehmende Person zivilrechtlich die Verantwortung für entstandene Schäden während der Treffen. Eine Haftung des Dienstherrn, also des Bundeslandes oder der Ausbildungsstätte, besteht nicht. Unfall- oder Haftpflichtversicherungsschutz greift, sofern nicht ausdrücklich als dienstliche Veranstaltung anerkannt, ausschließlich im privaten Rahmen. Werden Lerngruppen in Seminarräumen der Schule oder des Studienseminars veranstaltet, empfiehlt es sich, eine Genehmigung einzuholen, um klarzustellen, wer im Falle von Personen- oder Sachschäden haftet.

Müssen Lerngruppen dokumentiert oder angezeigt werden?

Nach der herrschenden Rechtslage besteht keine grundsätzlich verpflichtende Anzeigepflicht für privat initiierte Lerngruppen. Ausnahme kann bestehen, wenn die Nutzung von schulischen oder öffentlichen Seminarräumen erfolgt – hier ist oftmals eine Anmeldung oder Genehmigung beim Hausmeister oder der Seminarleitung erforderlich, um versicherungsrechtliche Fragen zu klären. Im Zusammenhang mit offiziell begleitetem Unterricht oder Prüfungsgruppen kann das Seminar eine Dokumentation fordern. Für selbstorganisierte Lerngruppen bleibt dies jedoch außerhalb dienstlicher Vorgaben.

Dürfen in Lerngruppen dienstliche Unterlagen oder personenbezogene Daten ausgetauscht werden?

Das Datenschutzrecht, insbesondere die DSGVO sowie ergänzende landesrechtliche Datenschutzgesetze, setzt dem Austausch personenbezogener Daten enge Grenzen. Referendarinnen und Referendare sind verpflichtet, dienstliche Verschwiegenheit zu wahren und dürfen personenbezogene Schüler- oder Elterndaten in Lerngruppen weder weitergeben noch besprechen. Für den Austausch dienstinterner Materialien gilt, dass keine Originaldokumente oder sensible Inhalte weitergegeben werden dürfen, sofern hierfür keine schriftliche Erlaubnis besteht. Die Verletzung datenschutzrechtlicher Vorschriften kann dienstrechtliche Konsequenzen nach sich ziehen.

Welche arbeits- oder dienstrechtlichen Konsequenzen drohen bei Verstößen im Kontext von Lerngruppen?

Verstöße gegen rechtliche Vorgaben – etwa gegen Verschwiegenheitspflichten, Datenschutz oder Prüfungsregularien – können zu dienstrechtlichen Maßnahmen führen. Dazu zählen beispielsweise Abmahnungen, Einleitungen von Disziplinarverfahren oder im Extremfall die Nichtzulassung zur Prüfung bzw. die Aberkennung von Prüfungsergebnissen. Auch bei Verstößen gegen das Verbot der Kooperation bei Prüfungsleistungen (Täuschungsversuch) können nach § 15 der jeweiligen Ausbildungs- und Prüfungsordnungen disziplinarische Schritte erfolgen. Es ist daher ratsam, genauer auf die Einhaltung aller relevanten rechtlichen Vorschriften zu achten und im Zweifel Rücksprache mit dem Ausbildungsseminar zu halten.